BaFin-Merkblatt: BFV kritisiert unzulässigen schwerwiegenden Markteingriff

Die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) kritisiert zahlreiche von der BaFin geplante Maßnahmen, die diese mit dem „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ einführen will. In ihrer Stellungnahme (https://www.bfv-versicherungsmakler.de/wp-content/uploads/2023/01/2023_01_13_Stellungnahme-BFV-zum-BaFin-Merkblatt-LV-Wohlverhalten.pdf) im Rahmen der BaFin-Konsultation moniert die BFV den offenbar geringen Stellenwert einer qualifizierten Beratung und Vermittlung, erkennt in den zahlreichen Regelungen mit Druck auf die Vergütungen einen schwerwiegenden Markteingriff, kritisiert die Bevorzugung von ‚Stornierern‘ und weist auf geplante Regelungen hin, die im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen stehen. Zudem werden kostensteigernde Auflagen benannt, die dem Ziel einer höheren Rendite entgegenstehen. Einige der BFV-Kritikpunkte im Detail:

Beratung ist ein Kundennutzen

„Den Kundennutzen auf den Renditeaspekt zu beschränken, greift zu kurz. Auch laut IDD gibt es weitere Aspekte, die den Kundennutzen ausmachen. Insbesondere hat die Beratung, Vermittlung und Betreuung einen Wert und stellt einen Kundennutzen dar. Der Kundennutzen sollte daher umfassender definiert werden als im BaFin-Merkblatt vorgesehen“, fordert die BFV in ihrer Stellungnahme. Durch die auf Rendite beschränkte Definition des Kundennutzen mit entsprechenden Auflagen greift die Aufsicht in die Vergütung der Vermittler ein. Die sehr umfangreichen Ausführungen zu Aufwendungen an Versicherungsvermittler lassen den Schluss zu, dass es der BaFin vorrangig um die Provisionshöhe geht. Doch die europäische Versichereraufsicht EIOPA bezeichnet in ihrem aktuellen Papier „Methodology to assess value for money in the unit-linked market“ Beratung und Betreuung vor Ort und über die Laufzeit als einen besonderen, nicht monetären Wert für Kunden, der auch höhere Kosten verursachen kann.

Der vielfältige Druck auf die Vergütungen ist ein schwerwiegender Markteingriff

Nachdem der Gesetzgeber in der letzten Legislaturperiode mit der GroKo keinen Provisionsdeckel einführte und die Ampel-Koalition im Koalitionsvertrag weder die Einführung eines Provisionsdeckels noch einen Provisionsrichtwert anstrebt, ist es irritierend, dass die BaFin Forderungen erhebt und Auflagen machen will, die letztlich zu einem maßgeblichen Eingriff in die Vergütung der Vermittler führt. Das ist nach Einschätzung der BFV hinsichtlich der Auswirkungen vergleichbar mit dem von der BaFin zuvor angestrebten Provisionsrichtwert. „Dieser stellt einen schwerwiegenden Markteingriff dar, der wie ein Provisionsdeckel dem Parlamentsvorbehalt unterliegen sollte“, fordert die BFV und betont zugleich, dass es dazu keine Notwendigkeit, wie in der Branche weit verbreitete Missstände, gibt. „Die geringen Verbraucher-Beschwerdezahlen über Versicherungsvermittler bei der BaFin und beim Versicherungsombudsmann zeigen, dass es keine weit verbreiteten Missstände bei Versicherungsvermittlern oder im Zusammenhang mit dem Provisionssystem gibt“, so BFV-Koordinator Erwin Hausen. Obendrein will die BaFin vorschreiben: „Eine hohe Abschlussprovision ist daher an angemessene qualitative Kriterien zu knüpfen.“ Eine vergleichbare Formulierung ist bereits im seinerzeitigen Entwurf zum ‚LV-Provisionsdeckelgesetz‘ zu finden. Doch das wurde aus wichtigen Gründen, u. a. erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit eines gesetzlichen Provisionsdeckels für die Vermittlung von Lebensversicherungen, von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Januar 2019, https://www.bfv-versicherungsmakler.de/Rechtsgutachten Papier gesetzlicher LV-Provisionsdeckel.pdf) vom Gesetzgeber nicht beschlossen.

Zielmarkt sind vertragstreue Kunden und nicht Stornierer

Zu Gunsten von Kündigern regelt der Gesetzgeber mit § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG bereits den Rückkaufswert und mit § 49 Abs. 1 VAG die Provisionshaftungszeit von 5 Jahren. Die BFV hält es nicht für richtig, dass die BaFin über ihre Auslegungen zum POG-Verfahren, der Forderung nach einer Rendite nach Kosten und Inflation zum Stornozeitpunkt und der Empfehlung, Abschluss- und Vertriebskosten über die gesamte Laufzeit zu verteilen, Vorgaben über diese Gesetze hinaus macht. Die private Altersvorsorge vertragstreuer Kunden ist das Ziel des Ansparvorgangs. „Das sollte auch so bleiben, wir sprechen uns dagegen aus, dass die Rendite von Kündigern zu Lasten der Rendite von vertragstreuen Kunden verbessert werden soll“, so die BFV. Dem steht auch ein fragwürdiges Beispiel im Fachartikel der BaFin vom 05.01.2023 („Vertriebsvergütung im Spannungsfeld von Beratungsaufwand und Verbraucherschutz“) nicht entgegen. Dort führt die BaFin nach eigenen Angaben ein „Extrembeispiel“ auf: „Ein Lebensversicherungsunternehmen erwartet für ein Produkt, das auf eine langjährige Ansparphase ausgelegt ist, dass die Angehörigen des Zielmarkts ihre Vertragsverhältnisse innerhalb der ersten fünf Jahre zu 100 Prozent vorzeitig beenden.“ Das wertet die BFV nicht als Extrembeispiel, sondern als Missstand: „Wenn ein Lebensversicherer ein Produkt konzipiert, dass aus Sicht des Versicherers dann erfolgreich ist, wenn binnen fünf Jahren alle Kunden kündigen, dann ist das ein Beispiel für ein unseriöses Geschäftsmodell, das die BaFin als Einzelfall im Rahmen ihrer Missstandsaufsicht unterbinden sollte.“

§ 6 Abs. 6 VVG muss beachtet werden

Versicherern hinsichtlich der Anlagestrategie des Produktes eine Beratungspflicht während der Vertragslaufzeit aufzugeben, steht nach Auffassung der BFV im Widerspruch zur Versicherungsmakler-Ausnahme nach § 6 Abs. 6 VVG. Diese Vorgabe des Gesetzgebers sollte berücksichtigt werden.

Zu Bedenken gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft zudem, dass jede weitere Regulierung, Auflage und Forderung zu weiterem Personalbedarf und somit zu höheren Kosten führt, die sich negativ auf die Rendite der betreffenden Produkte auswirken. „Verpflichtungen, die über die Forderungen der IDD hinausgehen, dienen nicht der Auslegung der IDD und sollten gestrichen werden. Die IDD und weitere europäische und nationale Vorgaben stellen bereits mit zahlreichen Anforderungen und Vorgaben an Versicherer und Vermittler ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher. Daher ist für viele der im Merkblatt benannten Anforderungen keine Notwendigkeit zu erkennen“, so das Fazit der BFV.

Die Stellungnahme kann unter https://www.bfv-versicherungsmakler.de/wp-content/uploads/2023/01/2023_01_13_Stellungnahme-BFV-zum-BaFin-Merkblatt-LV-Wohlverhalten.pdf abgerufen werden.

Jahresausblick 2023 von Stefan Schmidt MdB Bündnis 90/Grüne

Stefan Schmidt
Stefan Schmidt, MdB Bündnis 90/Grüne
Mitglied Finanzausschuss Deutscher Bundestag

“Es ist nun ein Jahr her, dass wir Grüne uns zusammen mit SPD und FDP zu einer Fortschrittskoalition zusammengefunden haben. Coronakrise, Krieg in der Ukraine, Inflation, Energiesicherheit – eine Vielzahl an Herausforderungen mussten und müssen wir ad hoc managen, gleichzeitig dürfen wir auch langfristige Vorhaben nicht aus dem Blick verlieren.

Dazu gehört für mich unter anderem die längst überfällige Reform der privaten Altersvorsorge. Hier geht es voran: eine Fokusgruppe wird die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds prüfen, der ein effektives und kostengünstiges Angebot mit Abwahlmöglichkeit bietet. Wichtig ist für uns Grüne hierbei unter anderem, dass geprüft wird, wie die Vorsorge auch für untere Einkommensgruppen attraktiv wird. Schon im Sommer soll ein Abschlussbericht vorliegen, auf dem wir aufbauen können.

Auch im Bereich der Restschuldversicherung muss und wird es im kommenden Jahr vorangehen. Seit letztem Juli greift ja bereits der Provisionsdeckel, der noch in der vergangenen Legislaturperiode verankert wurde. Im Ampel-Koalitionsvertrag haben wir zusätzlich vereinbart, dass der Abschluss des Kredit- und des Versicherungsvertrags zeitlich entkoppelt werden muss. Es muss den Kreditnehmenden klar sein: der Versicherungsvertrag ist freiwillig und wird unabhängig vom Kreditvertrag abgeschlossen.

Nicht zuletzt begrüßen wir, dass die BaFin aktuell bei einigen Lebensversicherern genauer hinschaut und zu hohe Kostenbelastungen sowie die Rückvergütungspraxis bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten zum Gegenstand einer Konsultation macht. Zu hohe Kosten führen zu einer unangemessen niedrigen Rendite und im Endeffekt zu Versorgungslücken für die Versicherten. Das steht dem Ziel der kapitalbildenden Lebensversicherung, der Absicherung fürs Alter, entgegen. Sowohl unverhältnismäßig hohen Effektivkosten und Abschlussprovisionen, als auch Fehlanreizen im Vertrieb muss unbedingt entgegengewirkt werden – nicht zuletzt um das Vertrauen in die Branche zu stärken und zu erhalten.

Viele spannende Vorhaben und Debatten stehen für 2023 an, ich denke da z. B. an das Themenfeld ESG und Sustainable Finance oder die Debatte um die Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Wir werden auch im nächsten Jahr wachsam bleiben und Handlungsbedarfe identifizieren – gemeinsam mit der Branche und den Versicherten.”